Illustration: Elke R. Steiner - steinercomix.de Illustration: Elke R. Steiner - steinercomix.de

Das Motto des CSD Cottbus & Niederlausitz 2021 lautet "Große Hürde Menschenwürde". Wo beginnt und wo endet für Dich die Würde des Menschen?

Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - Artikel 1 steht geschrieben:

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Hier einige Eckpunkte zum Nachdenken:

Quelle: ILGA
Quelle: ILGA

 

  • In 69 Staaten wird gleichgeschlechtliche Sexualität noch strafrechtlich verfolgt, in einigen Ländern sogar mit der Todesstrafe bedroht.
  • Mit Brunei, Iran, Jemen, Mauretanien, Nigeria und Saudi-Arabien stehen sechs Länder für homosexuelle Handlungen die Todesstrafe vor. In fünf weiteren (Afghanistan, Pakistan, Katar, Somalia und die Vereinigten Arabischen Emirate) könnte die Todesstrafe unter bestimmten Bedingungen gegen Homosexuelle ausgesprochen werden.
  • Haftstrafen von bis zu 8 Jahren werden in 30 Ländern vollzogen. In 27 Ländern müssen Menschen mit Gefängnisstrafen von bis zu 10 Jahren rechnen, wenn öffentlich wird, dass sie homosexuell sind.
  • Staatlich organisierte Verfolgung und Ermordung von Schwulen erfolgt(e) in der Russischen Teilrepublik Tschetschenien.
  • In Ägypten reicht schon das Schwingen der Regenbogenfahne um eingesperrt zu werden.
  • Positives Sprechen über Homosexualität ist in Russland, Litauen und Indonesien verboten.
  • Bis August 2019 wurden in Polen etwa 30 verschiedene LGBT-Ideologiefreie Zonen erklärt, darunter vier Woiwodschaften im Südosten des Landes.
  • Ungarn hat seit 01/2021 eine LGBT-freie Zone  
  • Das ungarische Parlament hat 06/2021 ein queerfeindliches Gesetz verabschiedet. In Ungarn ist es jetzt verboten, Minderjährige darüber zu informieren, dass es queere und transgeschlechtliche Personen gibt. Daraufhin wollte die Stadt München die Allianz Arena beim Spiel Deutschland-Ungarn in Regenbogenfarben beleuchten. Die Uefa hat den Antrag abgelehnt. Die Stadt wollte ein Zeichen setzen für "Vielfalt, Toleranz und echter Gleichstellung im Sport und in der ganzen Gesellschaft". (LGBTQIA: Fußball bleibt grau)

Situationsbeschreibung Cottbus, Spree-Neiße und Umgebung

Homo- und Trans*feindlichkeit(en) im sozialen Umfeld, der Familie oder im Kontext von Ausbildung und Arbeit sind leider noch immer Bestandteil der Lebenswirklichkeit von LSBTIQ*-Personen. Mit der Corona-Pandemie setzte im März 2020 eine zunehmende Verschlimmerung sozialer Zustände ein. Dies gilt für viele Menschen. Darunter sind auch junge ungeoutete LSBTIQ*-Personen, die in schwierigen Lebenslagen leben müssen. Die bis dato möglichen Ausweichstrategien, etwa um stundenweise dem Elternhaus zu entfliehen, aus Angst vor Stress, Konflikten und Gewalt, versagten aufgrund von Maßnahmen, um das Infektionsgeschehen zu regulieren. Homeschooling und Homeoffice werden und wurden zur Zerreißprobe. Es verschärften sich sozialer Druck, Einsamkeit, Leid und Angst. Die Beratungsbedarfe und Anzahl der Hilferufe stiegen. 

Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse der Online-Befragung zur Lebenssituation von LSBTIQ*-Menschen in Brandenburg aus dem Jahr 2018 nur einen kleinen Teil der Lebensrealität abbildet. Die Erhebung gibt an, dass 48% der befragten 314 in Brandenburg lebenden LSBTIQ*-Menschen negative Erlebnisse / Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen Identität und / oder sexuellen Orientierung in den letzten 5 Jahren erlebt haben.

Nach wie vor erfahren LSBTIQ*-Jugendliche insbesondere an Schulen Diskriminierung, Benachteiligung, Ausgrenzung und Gewalt. In der Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) aus dem Jahr 2015 geben 54,8 % der befragten Jugendlichen an, an Bildungsorten wie Schule aufgrund ihrer sexuellen und/oder geschlechtlichen Identität beschimpft, beleidigt oder lächerlich gemacht worden zu sein. 12,7% der Befragten wurde Gewalt angedroht und 9,6% haben tatsächlich Gewalt erfahren.

Lehrkräfte und Sozialarbeiter:innen gehen leider viel zu wenig auf diese Diskriminierungen ein. Wenn pädagogische Fachkräfte selbst LSBTIQ*-Personen sind, outen sich diese in nur wenigen Fällen aus Angst vor Anfeindungen aus dem Kollegenkreis, aus Furcht vor Reaktionen von Eltern oder Schülern.

LSBTIQ*-Menschen nutzen ganz unterschiedliche Strategien, um mit der alltäglichen Diskriminierung oder einer möglichen Diskriminierung umzugehen. Wir erleben Zusehens, dass sich LSBTIQ*-Menschen ins Private zurückziehen, versteckt und mehr und mehr deutlich angepasst nach den heteronormativen Bildern der Mehrheitsgesellschaft leben. Eine offene und selbstverständliche Identitätsentwicklung als LSBTIQ*-Mensch findet nicht oder kaum statt. Normalität bedeutet für viele LSBTIQ*-Menschen möglichst unauffällig sein und die Zuneigung, Liebe oder Leidenschaft grundsätzlich hinter den privaten Türen zu lassen.

Kein Händchenhalten, keine Umarmung in der Öffentlichkeit, kein Regenbogensymbol an der Jacke, kein Kuss an der Straßenbahn – selbstgewählte oder auferlegte Zustände?

Wir wollen das ändern und mit unserem zivilgesellschaftlichen Engagement wollen wir einen Schritt zu mehr Freiheit, mehr Identität, mehr Queergerechtigkeit, mehr Menschlichkeit, mehr Haltung und Demokratie und mehr vielfältiger Liebe machen.